Was Herpes da zusammengesucht hat, finde ich sehr beeindruckend. Respekt vor diesem Aufwand. Vor allem hat er es so hinbekommen, dass es wie aus einem Guss wirkt.
Allerdings trifft es nicht ganz den Kern der Frage, nämlich ob die Emanzipation m e h r Positives oder Negatives gebracht hat.
a) Ich glaube nicht, dass unsere Probleme vor allem darauf beruhen, dass die Rollen nicht klar verteilt sind. Es gibt zwar Menschen, die nicht wissen, welche Rolle sie in dieser Gesellschaft einnehmen wollen. Aber das ist die Qual der Wahl: Gehe ich den linken oder den rechten Weg um den hübschen See herum? Während derjenige, der im Gefängnis sitzt, eben keinen der beiden Wege wählen kann, dafür eben keinen Plage mit dem Entscheiden-Müssen hat. Trotzdem wird wohl kaum einer deswegen das Gefängnis vorziehen. Die Situation im Gefängnis sehe ich in diesem Bild als die Situation vor Beginn der Emanzipation.
b) Als es noch Ständeordnungen gab und jeder das werden musste, was sein Vater von Beruf war, gab es vielleicht weniger Arbeitssuchende als heute, aber die Menschen waren deswegen nicht unbedingt glücklicher, weil der Sohn des Totengräbers vielleicht künstlerisch sehr begabt war und gerne Goldschmied gelernt hätte, der Sohn des Arztes vielleicht einen Hang zur Landwirtschaft hatte - und so fort.
c) Es ist leicht, über die Errungenschaften der Emanzipation zu lächeln, wenn man sie gleichzeitig genießen kann. Wir können uns zum Teil gar nicht mehr vorstellen, was für Bedingungen früher herrschten. Auch wenn Frauen heutzutage vielleicht auch einmal über das Ziel hinausschießen, so war doch extrem wichtig, dass sich Frauen dafür mit Leib und Leben eingesetzt haben, dass Frauen die Schule besuchen, einen Beruf ergreifen, sich selbst eine Wohnung mieten können, ohne dafür schräg angesehen zu werden.
Gemäß dem Koran muss der Mörder einer Frau der geschädigten Familie nur die Hälfte von dem bezahlen, was er bezahlen müsste, wenn er ein männliches Familienmitglied ermordet hätte.
Und das ist mit Sicherheit eine wohlwollende Verbesserung der um 1400 im vorderen Orient existierenden Bedingungen gewesen. Die Frau war da nämlich einfach nur gleichbedeutend mit materiellem Besitz, so wie man heute in Deutschland wegen Sachbeschädigung bestraft wird, wenn man den Hund eines anderen verletzt.
Ich habe gelesen, dass sich in Indien viele junge Frauen verzweifelt auf den brennenden Körper ihres verstorbenen Mannes werfen, weil sie als Witwe Schlimmes von der Familie ihres Mannes zu befürchten haben. Und Eltern geraten bei der Geburt eines Mädchens in Panik, weil sie nicht wissen, wie sie die Mitgift aufbringen sollen, um es später an den Mann zu bringen. Sowohl in Indien wie auch in China werden die modernen Methoden der Frühbestimmung des Geschlechts dafür genutzt, dass Mädchen abgetrieben werden.
Wenn man all dies weiß, wie kann man dann noch an dem Sinn von Emanzipation zweifeln und fragen, ob sie nicht vielleicht doch mehr Nachteile als Vorteile gebracht hat?
Emanzipation ist so lange notwendig, wie noch ein Ungleichgewicht herrscht. Und ich bin froh, dass es neben der Frauenbewegung jetzt auch endlich eine Männerbewegung gibt.
Diese scheint vor allem zu versuchen, den Verlust des Vaters in der Gesellschaft wieder auszugleichen. Durch die Industrialisierung sind ja die reifen männlichen Erwachsenen alle plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Die Kinder sahen den Vater, Onkel und Großvater nicht mehr bei der Arbeit, denn die waren bis zu 14 Stunden außer Haus, in irgendeiner Fabrik.
Ein Autor erklärt, dass Männer deswegen innerlich immer kleine Jungs (in erwachsenen Körpern) bleiben, weil sie im Kindergarten von Kindergärtnerinnen betreut werden, in der Grundschule von Lehrerinnen, und wenn sie dann doch in einer weiterführenden Schule mal einem männlichen Lehrer begegnen sollten, dann hat dieser die Schule zeitlebens nicht verlassen, war also niemals mit dem heutigen Berufsleben konfrontiert.
Ein Junge braucht seinen Vater (oder einen reifen männlichen Erwachsenen) mehrere Stunden am Tag, um an den Gedanken und Gefühlen dieses Menschen teilhaben zu können. Das gelegentliche Hervorlugen des Vaters hinter der Zeitung reicht beim Sohn für das Heranreifen zu einem wahren Erwachsenen einfach nicht aus.
Natürlich sind auch Mädchen auf den Kontakt mit reifen männlichen Erwachsenen angewiesen, beispielsweise um ihr Bild von einem Partner zu entwickeln, aber sie haben einfach mehr lebendige Vorbilder von reifen Frauen. Und deswegen haben sie Mühe mit den Vorstellungen und Erwartungshaltungen von heiratswilligen Männern, die vielleicht einfach nur einen Ersatz für ihre Mutti suchen.
Die Lösung liegt also vor allem darin, dass Mädchen und Jungen gleichermaßen in ihrer Persönlichkeit wahrgenommen und gefördert werden, dass der Kontakt mit vorbildlichen Erwachsenen von den Eltern gezielt gesucht wird, dass man den Menschen nicht einredet, Männer und Frauen wären gleich, sondern dass man die Gleichwertigkeit trotz Verschiedenartigkeit betont.
Die aktuelle Reaktion auf die Pisa-Studie ist meiner Meinung nach vollkommener Unsinn, denn es wird noch mehr nutzlose Leistung von den Kindern abverlangt, noch mehr Wissen in sie hineingepresst, das sie als Erwachsene größtenteils nicht mehr brauchen, was vielleicht in wenigen Jahren schon wieder veraltet ist, das sie aber mit Sicherheit zu 80 Prozent vergessen haben werden, sobald sie erst einmal ins Berufsleben eingetreten sind.
Die Schüler der anderen Länder fühlten sich von ihren Lehrern ernst genommen und gefördert. Die Schüler in Deutschland fühlen sich von den Lehrern zu einem großen Teil terrorisiert, weil die Lehrer den Druck einfach weitergeben, den sie "von oben" bekommen. Wer kann da noch menschlich bleiben?
Das Grundgesetzt gibt es klar vor, dass jeder Mensch die Menschenrechte beanspruchen darf. Nur sind wir im Alltagsleben noch weit davon entfernt, das in jeder Hinsicht umzusetzen. Der eine wird schräg angesehen, weil er keinen Job hat, der andere wird gemieden, weil er nicht dieselbe Sprache spricht, ein weiterer wird nicht eingestellt, weil er wegen Schwangerschaft ausfallen könnte. Oder muss vielleicht ein Mann beim Einstellungsbogen ankreuzen, ob er schwanger ist oder nicht?
Ich habe zwei Töchter und bin sehr dankbar für die Erfahrung der Schwangerschaft. Ich hatte auch Glück und fühlte mich in beiden Fällen ausgezeichnet. Aber ich finde es beschämend, dass es gesetzlich so geregelt ist, dass eine Frau auf die unzulässige Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft gegenüber einem zukünftigen Arbeitgeber ungestraft lügen darf. Ich finde beides ziemlich schräg, die Fragestellung und die gesetzlich erlaubte Lüge.
Natürlich wäre das nicht so, wenn es bei den Arbeitgebern nicht um ihre Existenz und ihre Konkurrenzfähigkeit gehen würde. Aber mit mehr Möglichkeiten, von zuhause aus zu arbeiten, wäre so manchem geholfen.
Ich habe mich schon seit Jahren darum bemüht, von zuhause aus arbeiten zu dürfen. Aber das geht leider nur bei bestimmten Firmen und wenn man dort bereits eine Weile gearbeitet hat, sie einen also einfach nicht gerne wegen Kinderbetreuung verlieren wollen.
Da ich keine Lust darauf habe, mein Leben mit dem Gewinnen von Neu-Kunden zu finanzieren, und mit 50 nicht meinen relativ sicheren Job hinschmeißen werde, muss ich eben akzeptieren, dass ich nicht von zuhause aus arbeiten kann.
Wenn ich irgendwo warte und in die vorbeiströmende Menge sehe, stelle ich mir die Menschen immer vor, wie sie idealerweise sein könnten. Das ist schon von klein auf mein Hobby. Und ich versichere euch: Es gibt bestimmt keinen, dem ein wenig Emanzipation (hin zu seinem idealen Ich) schaden würde.
Im Gegenteil: Wären wir alle reife Menschen, die sich selbst annehmen können, gäbe es keine Kriege, keine Verbrechen und keine Ungerechtigkeiten. Alles Gemeine entsteht nur durch Menschen, die sich selbst nicht leiden können und ihren Selbsthass auf andere übertragen. Wer liebt und geliebt wird, kann einfach nicht gemein zu anderen sein.